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Röhren für Gitarrenverstärker

Wissenswertes über Röhren für Gitarrenverstärker

Die Elektronenröhre gilt als äußerst wichtiger Bestandteil elektrischer Verstärkerschaltungen des letzten Jahrhunderts und war entsprechend in nahezu jedem technischen Gerät zu finden. Bahnbrechende Erfindungen wie Radios, Fernseher, Funkgeräte, Radaranlagen und Mikrowellen wären ohne die innovativen Glaskolben gar nicht erst denkbar gewesen. Auch wenn die Röhre heutzutage in den meisten Anwendungsbereichen durch die flächendeckende Nutzung des Transistors fast völlig vom Markt verschwunden und eher im Museum anzutreffen ist, wird sie immer noch als begehrtes Bauteil für HiFi- und Instrumentenverstärker gehandelt. Denn ihr unvergleichlich warmer Klangcharakter und ihr einzigartiges Ansprechverhalten suchen nach wie vor ihresgleichen.

Technik von gestern?

Trotz ihrer Anfälligkeit für Ausfälle, dem höheren Verschleiß und dem daraus resultierenden Wartungsaufwand erfreut sich die Röhrentechnik gerade unter Gitarristen und HiFi-Enthusiasten bis heute höchster Beliebtheit. Denn die einzigartigen Klangeigenschaften einer Röhrenschaltung mit moderner Digitaltechnik authentisch zu simulieren, ist aufgrund ihrer physikalischen Komplexität ein schwieriges Unterfangen. Innerhalb der letzten Jahre hat sich diesbezüglich zwar eine Menge getan, weshalb viele Gitarristen inzwischen auf Digital-Amps mit überzeugenden Röhrenverstärker-Simulationen umgestiegen sind. Dennoch setzen viele Puristen und Studiomusiker nach wie vor auf den unnachahmlichen Klang und die Dynamik dieser kleinen Glaskolben. Glücklicherweise werden die gängigsten Typen für diesen Markt noch von einigen Herstellern produziert.

Wie funktioniert eine Elektronenröhre?

Die einfachste Elektronenröhre, die zur Verstärkung eines Audiosignals zum Einsatz kommt, ist die sogenannte Triode (tri griech. 'drei'). Sie besteht ihrem Namen entsprechend aus drei Elektroden: Der Kathode, der Anode und dem dazwischen befindlichen Steuergitter. Diese Elemente sind innerhalb des Glaskolbens in einem Vakuum untergebracht, sodass dem konstanten Elektronenfluss zwischen Kathode und Anode keine störenden Gasmoleküle in den Weg kommen können. Die Stärke des Elektronenflusses bestimmt das Steuergitter. Hier kommt das eher schwache Gitarrensignal an, das die Spannung des Steuergitters in der Frequenz des gerade gespielten Tons verändert und diesen so auf den weitaus stärkeren Elektronenfluss überträgt.

Aufbau einer Triode

Vorstufenröhren

In der Vorstufe wird der eigentliche Sound des Verstärkers geformt, weshalb die richtige Wahl der Vorstufenröhren (engl. 'Preamp Tubes') hier eine besonders wichtige Rolle spielt. Diese ist neben der Klangregelung bzw. dem 'Tone Stack' des Verstärkers ein essenzielles Element des Grundcharakters. Bei modernen Verstärkern ist meist ein Gain-Regler zu finden, der die Vorstufe bewusst übersteuert und so die beliebte Verzerrung entstehen lässt. Alte Vintage-Amps haben diesen separaten Regler nicht, sodass der Zerrgrad hier nur mit dem generellen Lautstärkeregler des Verstärkers bestimmt werden kann. Kein Wunder also, dass die Amps der alten Guitar Heroes voll aufgerissen werden mussten, um in die Sättigung zu kommen.

12AX7 (ECC83)

Aufgrund ihres geringen Rauschens und einer ebenso geringen Anfälligkeit für Mikrofonie ist die 12AX7 – oder in Europa auch ECC83 genannt – ganz klar die meistgenutzte Vorstufenröhre. Sie ist als Doppeltriode aufgebaut, verfügt also über zwei voneinander unabhängige Triodensysteme und ist aus den allermeisten Verstärkerschaltungen nicht mehr wegzudenken. Weitere berühmte Variationen der 12AX7 mit geringerem Verstärkungsgrad sind die 12AT7 (ECC81) und 12AU7 (ECC82), welche häufiger in Verstärkerschaltungen von Fender Anwendung finden.

Bild einer Electro Harmonix 12AX7EH Vorstufenröhre
12AX7EH Doppeltriode von Electro Harmonix.

Endstufenröhren

Das bearbeitete Vorstufensignal an sich ist noch sehr leise. Damit es durch den Lautsprecher wahrgenommen werden kann, muss es also in einer separaten Verstärkerstufe, die sich Endstufe nennt, verstärkt werden. Hier entsteht die unbändige und oft über 100 Watt starke Power legendärer Gitarrenverstärker, die ihnen ihre berüchtigten, ohrenbetäubenden Lautstärkereserven verleihen. Auch wenn Endstufenverzerrung für die Musikstile der Fünfzigerjahre ursprünglich nicht erwünscht war, entdeckten die Rockgitarren-Pioniere des letzten Jahrhunderts doch recht schnell, dass eine gesättigte Endstufe ihren eigenen wundervollen Klang erzeugt. Dieser charakterstarke Sound eines voll aufgerissenen Marshall-Verstärkers führte letztendlich zum unverkennbaren Sound vieler klassischer Rock-Acts wie z. B. AC/DC, Led Zeppelin oder auch Jimi Hendrix.

EL34 vs. 6L6

Die EL34 zählt zu den berühmtesten Elektronenröhren, die dem Aufbau der Pentode folgen. Während einfache Trioden aus den drei Elektroden Kathode und Anode sowie dem Steuergitter bestehen, verfügt die Pentode über zwei zusätzliche Brems- und Schirmgitter zur verbesserten Abschirmung der Anode. Dadurch kann die Pentode einen wesentlich höheren Verstärkungsgrad erreichen, um Verstärkerendstufen ihre enorme Lautstärke bereitzustellen.

Da sich das Patent zur Pentode fest in Händen des niederländischen Elektronikkonzerns Philips befand, kamen Mitbewerber schnell auf einen raffinierten Trick: Statt des Bremsgitters setzten sie auf ein sogenanntes Strahlblech zur Konzentration des Elektronenstroms, das diesen Röhren ihre Bezeichnung Strahltetrode (engl. 'Beam-Power-Tetrode') verlieh. Die bekanntesten Vertreter dieses Röhrentyps sind ganz klar die 6L6 und 6V6 der Radio Corporation of America (RCA), aber auch die britische KT66 und KT88 (KT = 'Kinkless Tetrode') ist hier zu nennen.

Bild einer JJ Electronic EL34 und einer 6L6GC Endstufenröhre.
EL34 Pentode und 6L6GC Strahltetrode (Beam-Power-Tetrode) von JJ Electronic.

Hierin liegt übrigens auch der berühmte Unterschied zwischen den Bezeichnungen Brit-Sound und US-Sound begründet: Während europäische Hersteller wie Marshall und Vox überwiegend auf klassische Pentoden-Endstufen mit EL34- oder EL84-Röhren setzen, kommen in Fender-Schaltungen hauptsächlich Strahltetroden in Form der 6L6 und ihrer entsprechenden Variationen zum Einsatz.

Bild eines TAD EL34-STR-Röhrenquartetts.
TAD EL34-STR-Quartett

Einzelröhren, Duo, Quartett?

Diese Bezeichnung hat weniger mit einer musikalischen Besetzung aus der Klassik als vielmehr mit Röhren-Sets zu tun, die aufeinander abgestimmt sind, um perfekt in einer Endstufe zusammenzuarbeiten. Diese werden vom Hersteller selektiert und 'gematcht', um in Bezug auf ihre gemessenen Werte nur geringe Toleranzen aufzuweisen. Entscheidend ist hierfür der Bias-Wert, der angibt, wie viel Strom im Ruhezustand durch die Röhre fließt, und der Verstärkungswert, der unter Belastung der Röhre gemessen wird.

Sound

Gleiche Röhrentypen unterschiedlicher Hersteller klingen nicht nur immer etwas anders, sondern können auch leicht unterschiedliche Zerrgrade aufweisen. Hierdurch lässt sich der 'Break Up', sprich, der Punkt, ab dem der Verstärker bei bestimmten Einstellungen zu zerren beginnt, mitunter beeinflussen. Kein Wunder also, dass Musiker mit etwas technischem Know-how ständig auf der Suche nach der perfekten Röhrenbestückung für ihren Verstärker sind und wahlweise mehr Headroom oder mehr Sättigung ihrer Vorstufe erzielen möchten. Das heißt allerdings nicht, dass sich mit Hilfe von Röhren ein Low Gain-Amp in ein bissiges Metal-Monster verwandeln lässt!

Röhrenwechsel

Wer seinem Röhrenverstärker eine Frischzellenkur mit neuen Röhren verpassen möchte, sollte einige wichtige Punkte beachten. Vorstufenröhren kann man oft problemlos selber austauschen, solange man sie durch Vorstufenröhren gleichen Typs ersetzt. Hierbei empfiehlt es sich, die Röhre möglichst im kühlen Zustand zu wechseln und sie mit einem Tuch anzufassen, um Fingerabdrücke auf den Glaskolben zu vermeiden. Zusätzlich gilt es natürlich, das entsprechende Handbuch des Verstärkers zu beachten, um sich allen Eigenheiten der vorliegenden Verstärkerschaltung bewusst zu sein.

Bei der Bestückung der Endstufe mit frischen Röhren muss allerdings nicht nur auf identische Typenbezeichnungen, sondern auch die entsprechenden Bias-Werte geachtet werden. Die Röhren müssen zusätzlich aufeinander abgestimmt ('gematcht') sein, weshalb es niemals eine gute Idee ist, Endstufenröhren aus verschiedenen Beständen zusammenzuwürfeln!

Darüber hinaus treten in Verstärkern lebensgefährliche Spannungen auf. Wechsel der Endstufenröhren sollten also nur von fachkundigem Personal durchgeführt werden, um Schäden an Geräten und im schlimmsten Fall auch an Personen zu vermeiden. Die erfahrenen Service-Techniker unserer Fachwerkstatt für Verstärker und Elektronik stehen hierfür natürlich gerne mit Rat und Tat zur Seite und führen Röhrenwechsel inklusive aller notwendigen Anpassungen zuverlässig und sicher durch.